Ein Veranstaltungsbericht vom Next Generation Day 2016
Am 3. September 2016 war ich mal wieder auf dem Deegen-Hoff in der Nordheide (Niedersachsen), um mir das erst mal die „Next Generation Tour“ mit Arien Aguilar (Balanced Horseman, USA), Gilliane Senn (Freiheitsdressur, Frankreich) und Pia Haas (Akademische Reitkunst, Deutschland) anzuschauen. Ich war nur am ersten Tag, dem Next Generation Day, nicht den zweiten Tag, dem „Get involved Day“ dabei, aber der Tag hat sich gelohnt!
Die Idee: Voneinander lernen – Wissen teilen
Gleich vorneweg kann ich sagen, dass ich die Idee und das Konzept der Next Generation wirklich toll finde: „Voneinander lernen – Wissen teilen“. Anders als bei allen anderen Veranstaltungen arbeiten hier nicht nur erstklassige Trainer hintereinander, sondern wirklich miteinander. Gerade bei so unterschiedlichen Trainern wie in dieser Tour, ist das sehr interessant. Da bekommt man zu einem Pferd den Input und die Arbeitsweise von 3 verschiedenen Trainern mit so unterschiedlichen Kompetenzen, die sich toll ergänzen konnten.
Noch schöner ist es mitzuerleben, wie die Trainer auch voneinander lernen und auch mit ihren eigenen Pferden versuchen die Ideen des anderen umzusetzen – mit allen Problemen, die auch jeder Reitschüler so hat. Da verschwimmen die Grenzen zwischen Trainer und Teilnehmer.
Endlich erlebt man mal eine Offenheit und Experimentierfreude, die ich mir auch allgemein mehr in der Reiterei wünsche. Nicht das übliche „meine Reitweise ist aber die beste“, sondern Trainer, die gemeinsam verschiedene Herangehensweisen zeigen. Einfach Klasse!
Nach dieser Veranstaltung versteht man, was Arien Aguilar meint, wenn er sagt: „Finde deinen eigenen Stil“. Und dass er das Konzept noch viel weiter treiben möchte, hat er zum Abschluss des Tages erzählt….
Dies ist ein eingebettetes Youtube-Video. Mit Klick nutzt du youtube. Für die Inhalte wird keine Haftung übernommen
Der Aufbau des Next Generation Day
Der Tag war grob in drei Parts unterteilt:
- Praxis mit vier Teilnehmerpferden
- Arbeit der Trainer mit ihren eigenen Pferden
- Show
Die Trainer
Zugegebenermaßen kannte ich im Vorwege nur Arien Aguilar – und auch wenn alle Trainer hier gleichermaßen miteinander arbeiten, ist er sicherlich als Ideengeber und Initiator der Zuschauermagnet. Seine Erfahrung im Umgang mit den Pferden, aber auch sein Spieltrieb und seine Experimentierfreude prägen die Veranstaltung natürlich. Sein Credo „Finde deinen eigenen Stil“ lebt in dieser Veranstaltung. Arien hatte seinen neuen Hengst „Alegre“ mit zu der Veranstaltung gebracht. Mehr zu Arien und Alegre könnt ihr in meinen Veranstaltungsbericht zu einer Abendveranstaltung mit Arien aus dem Juni lesen.
Gilliane Senn – Freiheitsdressur
Gilliane Senn aus Frankreich ist ein Energiebündel und für die große Show und die spektakulären Freiheitsdressuren mit ihren drei Pferden zuständig. Aber wie bei vermutlich allen guten Freiarbeits-Trainern ist sie sehr genau im Einsatz ihrer Körpersprache und hat dies auch gut erklärt.
Gilliane sagt selbst, dass ihr Vertrauen und Gerechtigkeit im Umgang mit den Pferden am wichtigsten ist. Und dazu gehört natürlich dass richtige Timing.
Persönlich hat es mich sehr gefreut, dass Sandra Kogler die Übersetzungen aus dem Französischen gemacht hat. Sandra arbeitet viel mit Arien zusammen und gibt selbst Kurse in Freiarbeit – ihr findet sie auch auf PferdeTermine.de – und endlich habe ich sie auch persönlich kennen gelernt!
Pia Haas – Akademische Reitkunst
Pia Haas, Ritterin der akademischen Reitkunst nach Bent Branderup, war für den Minimalismus und die kleinen aber feinen Schritte und Gesten zuständig. Für sie gehört zur Balance die körperliche und die geistige Balance. Als Grundbausteine ihrer Arbeit bezeichnet sie Sympathie, Vertrauen und Respekt.
Pias Arbeit hat mich schwer beeindruckt. Ihr Wissen um anatomisch korrekte Gymnastizierung und ihre Genauigkeit im Erkennen und Umsetzen war wirklich toll. Ich muss zugeben, dass ich zwar schon von einem Schulhalt gelesen habe, aber hier habe ich das erste mal gesehen, wie er am Boden erarbeitet werden kann und wie man ihn reitet.
Toll war auch zu sehen, wie Pia Arien mit seinem Pferd und auf seinem Pferd „unterrichtet“ hat bzw. Tipps gegeben hat. Besonders „beruhigend“ fand ich dabei, dass Arien eben auch nicht alles gespürt hat, was Pia gesehen hat – das ist glaube ich eine Erfahrung, die jeder Reitschüler kennt und endlich sieht man, dass es auch sehr guten Reitern so gehen kann, wenn sie etwas Neues erklärt bekommen. Danke, Arien, für deine Ehrlichkeit!
Die Teilnehmerpferde:
Vier Teilnehmerpferde wurden vorgestellt – leider wurde keines geritten (vielleicht bei der Kulisse verständlich, denn alle Pferde waren angesichts der Menschenmengen auf zwei Seiten sehr aufgeregt).
- Quick Step, ein Tenessee Walker-+Isi-Mix, bei dem an der Motivation gearbeitet werden sollte und der sehr aufgeregt war.
- Evita, 9 Jahre, die bei Seitengängen dicht gemacht hat
- Shania, eine Stute, die anfangs auch sehr aufgeregt war, aber dann schön am Boden zu arbeiten war.
- Nora, ein süsses Shetty, das Arien am liebsten gleich eingesteckt hätte ;-)
Die wichtigsten Punkte aus den verschiedenen Arbeiten mit den Teilnehmerpferden versuche ich hier zusammen zu fassen:
- Bei besorgten, ängstlichen oder schreckhaften Pferden sollte man als aller erstes versuchen die Ursache herauszufinden. Was genau löst z.B. das Bocken oder Steigen aus? Dann gibt es grundsätzlich zwei Herangehensweisen: Pia Haas versucht früh genug zu spüren wann es passiert und dann nicht über diesen Punkt hinaus zu gehen. Sie tastet sich sozusagen an die Grenze heran und versucht die Grenze durch mehr Sicherheit jedesmal ein bisschen zu erweitern. Gilliane und Arien würden eher auch mal über die Grenze hinausgehen und versuchen dem Pferd zu zeigen, dass es gar nicht so schlimm ist. Die Entscheidung, wie sie vorgehen, ist aber je nach Situation sehr unterschiedlich.
- Gilliane Senn hat betont wie wichtig es ist die Gerte in den Pausen wirklich locker in der Hand auf den Boden hängen zu lassen (sie sozusagen „tot“ zu stellen), da selbst die kleinste Anspannung der Hand durch das Tragen der Gerte Auswirkungen auf die Körperanspannung hat.
- Aus dem gleichen Grund rät sie stark von Kaugummis bei der Arbeit mit Pferden ab! Das Kauen von Kaugummis ist eine permanente Anspannung im Kiefer, die auf den ganzen Körper ausstrahlt und die die sensiblen Pferde als Anspannung spüren.
- Sehr schön hat sie auch erklärt, wie sie mit ihrem Körper die Pferde „zu sich hin zieht“, indem sie beim Rückwärtslaufen vor den Pferden sich leicht nach vorne beugt und sozusagen den Bauchnabel in Bewegungsrichtung schiebt. Zum Halten richtet sie sich dann wiederum auf. In den Videoausschnitten (s.u.) ist dies sehr zu erkennbar. Will sie die Pferde rückwärts schicken, richtet sie sich auf. Als Steigerung nutzt sie Gerte oder Seil (schwingen oder schlagen) und macht sich so groß wie möglich und geht auf das Pferd zu. Sobald das Pferd auch nur den kleinsten Schritt in die richtige Richtung macht, entspannt sie und nimmt den Druck zurück (inkl. Gerte in „tot“-Haltung = Hängen lassen!).
- Wenn die Pferde „Pause“ haben, dürfen sie gucken, aber nicht die Füße bewegen – das wird korrigiert.
- Zum Beruhigen der Pferde kann man gut mit Seitengängen arbeiten oder auch Hilfsmittel wie Pylonen zur Beschäftigung nutzen.
- Mit dem Shetty wurde versucht die freie Drehung in die Bewegung zu integrieren, so dass das Pferd später aus der Bewegung frei eine Volte laufen lernt („Walzer tanzen“). Dies kann man im Video erkennen.
- Gilliane empfiehlt dem Pferd das Knien und Hinlegen VOR dem Kompliment beizubringen. Anders herum ist es schwerer dem Pferd verständlich zu machen, wieso die Lektion nach dem Kompliment noch nicht zu Ende sein soll und man plötzlich mehr verlangt.
- Pia Haas zeigte einer Teilnehmerin und später auch Arien, wie es sich für das Pferd anfühlt, wenn sie mit Paraden so arbeitet, dass das Pferd locker und gerade bleibt und wie Paraden bis in die Hinterhand schwingen können. An ihrem Pferd demonstrierte sie später, wie daraus ein Schulhalt erarbeitet wird.
Die Arbeit der Trainer mit ihren Pferden
Nach einer Pause arbeiteten die Trainer mit ihren eigenen Pferden. Aus meiner Sicht ist dies ein großer Pluspunkt dieser Veranstaltung, da man in diesem Teil sehr gut sehen konnte, was man erreichen kann und die Trainer zeigten auch, wie man da hin kommt. Dadurch, dass hier einer vom anderen lernen wollte, konnte man außerdem gut verfolgen, wie die Trainer sich untereinander weiterhalfen und neue Dinge, wie z.B. die Paraden, die Pia gibt bis zum Schulhalt, ausprobierten.
Außerdem fiel bei den Pferden der Trainer die Ängstlichkeit und Unsicherheit der Teilnehmerpferde weg, so dass direkt mit der eigentlichen Arbeit begonnen werden konnte.
Pia zeigte mit „Valentino“ die Arbeit am Boden mit den Paraden bis zum Schulhalt. Eine aus meiner Sicht sehr beeindruckende Lektion. Sie zeigte auch, wie man über diese Paraden Seitengänge und ein Kruppe herein erarbeiten kann.
Gilliane zeigte mit ihren drei sehr unterschiedlichen Pferden verschiedenste Übungen:
- Freies Zirkeln vor dem Trainer. Dies hat sie vor einer Ecke begonnen und die Ecke so anfangs als Begrenzung genutzt. Voraussetzung ist, dass man sein Pferd wegschicken und wieder (z.B durch Blick Richtung Kruppe) zurückholen kann. Sie leitet das Zirkeln wie das normale Zirkeln um sich herum ein und schickt dann das Pferd aber bereits vor sich rum.
- Verbesserung der Piaffe: Mit zwei Personen mit Stricken links und rechts des Halfters und leichter Anlehnung: Trab, Halt, Rückwärts und dann Anpiaffieren und wieder vorwärts traben.
- Spanischen Trab hat sie auch so weiter trainiert (zu zweit).
- In Kombination mit dem Übungsaufbau zur Piaffe hat sie auch das Steigen an gleicher Stelle integriert.
- Mit ihrem Ibero zeigte sie das Steigen plus 360° Drehung (siehe Bildersequenz unten).
Arien zeigte mit seinem neuen Hengst Alegre u.a. die Arbeit mit einer Fahne. Da Alegre anfangs große Angst vor flatternden Fahnen (u.ä.) hatte, hat Arien eine ganz große Fahne gebaut und Alegre daran gewöhnt. Inzwischen liebt Alegre die Fahne und es kommt der Stier in ihm durch (er kommt aus einer Pferdezucht für Stierkampf-Pferde).
Die Show
Zum krönenden Abschluss zeigten die drei ihre 5 Pferde in einer kleinen Show, die ihr am Ende des Videos sehen könnt. Auch Pias feine Arbeit konnte man beim anschließenden Reiten in der Show bewundern – und das Ganze hochschwanger mit Babybauch – Respekt! Leider konnte ich den Teil nicht filmen – dafür habe ich davon Fotos.
Die Show beginnt in dem Video oben ab Minute 22:00.
Die Vision – ihr seid gefragt!!!
Zum Abschluss erzählte Arien noch seine Vision von einem „Next Generation Campus“, auf dem nicht nur ein paar wenige Teilnehmer mit Pferd dabei sind, sondern alle zusammen mit ihren Pferden gemeinsam zusammen arbeiten, miteinander und voneinander lernen.
Natürlich fallen jedem dann erst mal all die Dinge ein, weswegen so etwas unmöglich umsetzbar erscheint. Wo gibt es eine so große Anlage (z.b. die Niedersachsenhalle in Verden), wie soll man all die Teilnehmer und Pferde unterbringen (Arien tüftelt über Ideen mit Zelten für Mensch und Pferd), …. etc….
Aber wer Arien kennt, der weiss, dass er seine Vision umsetzen wird. Auch zur Idee der Next Generation Tour hatten ihm die meisten gesagt, dass sie nicht umsetzbar wäre, weil er nicht die Trainer finden würde, die so zusammen arbeiten usw.
Damit diese tolle Vision Wirklichkeit werden kann, kann Arien alle guten Ideen von euch gebrauchen zu:
- möglichen Veranstaltungsorten
- wie kann man Teilnehmer+Pferde zusammen bringen
- mögliche Trainer, die gut und offen für Neues sind
- wie stellt ihr euch so einen Next Generation Campus vor und was würdet ihr euch wünschen?
Was haltet ihr von so einer Veranstaltung? Wärt ihr dabei? Welche Ideen und Vorschläge zur Umsetzung so einer Veranstaltung habt ihr?
Ihr könnt gerne dazu hier Kommentare hinterlassen. Ich leite Ideen, Vorschläge und Anregungen an Arien auf jeden Fall weiter.
Was euch auch noch interessieren könnte: