Vortrag Petra Köpcke Seitengänge

Wieso eine Banane gut für die Seitengänge ist


Am 4.03.2016 fand der Theorie-Vortrag zum Thema  „Seitengänge“ statt. Es war der dritte Teil der Vortragsreihe „Reiten in Balance“ von Petra Köpcke.

Die Veranstaltungsberichte des ersten Vortrages zum Thema „Die Biomechanik des Pferdes“ findet ihr hier (Warum ein zu eng gerittenes Pferd nie in korrekter Stellung gehen kann).

Der zweite Vortrag hatte „Biegung, Stellung, Geraderichten“ zum Thema. Auch dazu habe ich eine Zusammenfassung geschrieben (Wie Pferd und Reiter das Gleichgewicht finden). Wer die Vorträge verpasst hat, findet unten die Links zu den noch stattfindenden Vorträgen in Schleswig-Holstein.

Seitengänge

Weil es so ein wichtiges Thema ist, hat Petra den Seitengängen einen eigenen Vortragsteil gewidmet. Inhalt des Vortrages waren

  • Voraussetzungen für die Seitengänge,
  • wie man sie am besten vorbereitet und erlernt,
  • Arten der Seitengänge und wie sie korrekt geritten werden und wozu sie dienen,
  • besondere Schwierigkeiten und was man bei welchem Seitengang typischerweise verkehrt machen kann.

 

 

Was sind Seitengänge?

Die meisten der anwesenden Teilnehmer hatten sich schon mit dem Thema „Seitengänge“ beschäftigt. Aber vielleicht geht es doch einigen auch so wie mir, dass man selbst immer wieder durcheinander kommt, wenn man sich dann genauer damit auseinander setzt. Deswegen war es gut, dass Petra immer wieder die verschiedenen Theorieteile „vorgeführt“ hat und viele Videos dabei hatte. Trotzdem strengt es ganz schön an, sich immer wieder in die genauen Abläufe rein zudenken und den eigenen Knoten im Kopf zu lösen.

Häufigster allgemein verbreiteter Irrtum ist sicherlich, dass ein Pferd sich in einem Seitengang bewegt, wenn es seitwärts geht. Per Definition ist eine Seitwärtsbewegung nur dann ein Seitengang, wenn sich das Pferd dabei in einer Längsbiegung und in Selbsthaltung befindet. Damit zählt das Schenkelweichen beim Viereckverkleinern oder Viereckvergrößern z.B. nicht zu den Seitengängen, da diese Lektion laut den Richtlinie ohne Längsbiegung, nur mit Stellung geritten werden soll.

Zu den Seitengängen zählen also ein Schulterherein, ein Konterschulterherein, ein Travers, ein Renvers, eine Traversale… und da man das Ganze auf gerader Linie aber auch auf Zirkeln etc. reiten kann, beginnt es bei mir dann im Kopf durcheinander zu geraten – ganz schlimm übrigens auf dem Pferd ;-)

Aber zurück zum Vortrag.

Voraussetzungen für Seitengänge

Also natürlich sollte der Reiter erst mal seinen Knoten im Kopf gelöst haben ;-) und eine klare Vorstellung davon haben, was er reiten möchte….. Reiter und Pferd sollten von ihrem Miteinander her eine Basis haben, auf der das Pferd neugierig und nicht ablehnend auf neue Vorschläge des Reiters reagieren kann.

Wichtige Voraussetzung, um mit den Seitengängen beginnen zu können, ist ein Pferd, das verstanden hat, wie es sich unter dem Reiter in Selbsthaltung bewegt. Der Reiter sollte also dem Pferd im Geradeaus und auf gebogenen Linien erklären können, wie es sich unter ihm so organisieren und bewegen kann, dass es seinen Winkel von Hals- und Brustwirbelsäule öffnet und sich mit positiver Spannung selbst trägt.

Hm, da scheitern ja schon mal viele (- die meisten?).

Der Reiter braucht einen unabhängigen Sitz (alleine schon schwierig genug) und muss spüren welches Bein (insbesondere Hinterbein) sich gerade wo befindet. Dabei sollte er spüren, welches Bein gerade vorschwingt, also die Stütz- und Beugephase der Hinterbeine auseinander halten können. Und natürlich ist es hilfreich, wenn der Reiter dem Pferd den seitwärts treibenden Schenkel  in Ruhe erklärt.

 

Der Reiter sollte seinem Pferd die Grundsignale sicher vermitteln können, wie: gehe fleißig bitte, runde dich, suche das Gebiss, stelle dich, biege dich bitte und in seinem Sitz bei aller Losegelassenheit stabil sein.

Wenn ihr das alles hinkriegt, dann kann es weiter gehen.

 

Vorbereitungen für Seitengänge

Gute Vorbereitungen für die Seitengänge sind z.B. das Reiten einfacher oder doppelter Schlagenlinien oder Schlangenlinien drei Bögen in Innen- oder auch in Außenstellung. Auch das Reiten eines einfachen Vierecks in der Bahnmitte oder eines mittigen Zirkels, schult Pferd und Reiter als Vorbereitung auf die Seitengänge. Ein Kleeblatt im Wechsel von Innen- und Außenstellung ist eine weitere Idee.

Seitengänge kann man gut vom Boden vorbereiten und damit die Bewegungsidee dem Pferd erklären. Im Sattel kann man den seitwärts weisenden Schenkel auf dem Zirkel beginnend gut erklären. Gut eignet sich auch am Anfang ein Schulterherein von der Mittellinie zur Bande, weil das Pferd hier weniger gebremst wird als an der Bande.

Hier ein Beispiel einer der Herausforderungen: Beim Wechsel von der Innen- zur Außenstellung ist ein häufiger Fehler, dass der neue äußere Zügel im Moment des Wechsels nicht genug vorgegeben wird, so dass das Pferd keine andere Chance hat, als sich eng zu machen.

 

Die Arten der Seitengänge

Mir hat die Darstellung der Unterschiede zwischen einem Reiten in Stellung, einem Schultervor und einem Schulterherein geholfen. Da ich beim Malen am besten lerne, habe ich mir den Teil aufgemalt. Ignoriert hier bitte die etwas komische Biegung und die nicht ganz passende Form der Pferde. Es geht hier erstmal hauptsächlich um die Hufspuren…

Seitengänge Vortrag

Zeichnung Seitengänge – von der Stellung über Schulter vor bis zum Schulterherein

 

In dem Beispiel des Schulterherein in der Zeichnung rechts ist also das Pferd auf der rechten Hand nach rechts gestellt und die Vorhand kommt herein bis das Pferd auf drei (oder auch vier Hufschlägen – lt. FN aber kein Schulterherein mehr) geht. Die Hinterhand bleibt am Hufschlag und der innere Hinterfuß spurt in Richtung des äußeren Vorderhufes (siehe meine Zeichnung). Aus Sicht des Pferdes bewegt es sich also an der Bande durch die Abstellung leicht nach links während der Kopf nach rechts gestellt ist. Deswegen heißt es, es ist ein Seitengang bei dem das Pferd entgegen der Bewegungsrichtung gestellt ist.

Es gibt die Seitengänge, bei denen das Pferd in Bewegungsrichtung gestellt und gebogen ist, dazu gehört Travers, Renvers und die Traversale. Und es gibt die Seitengänge, bei denen das Pferd entgegen der Bewegungsrichtung gestellt ist. Dazu gehört das Schulterherein, ebenso wie das Konterschulterherein (stellt euch beim Schulterherein die Bande auf der anderen Seite vor, dann ist das das Konterschulterherein).

Die Kunst ist jetzt natürlich diese feinen Unterschiede zwischen Reiten in Stellung, Schultervor, Schulterherein etc. aus der Theorie in der Praxis zu spüren und sauber reiten zu können ;-)

Möchte ich den Aspekt des Geraderichtens in das Reiten der Seitengänge integrieren, kann ich die Lektionen auf die Schiefe meines Pferdes zuschneiden. Beispiele:

Wenn ich ein rechts hohles Pferd habe, dann wird es sich zwar rechts nett biegen, fällt oft aber leicht zu sehr auf die linke Schulter. In dem Fall sollte man das Schulterherein auf der rechten Hand mit weniger Biegung und mehr Abstellung reiten. Der äußere Zügel begrenzt die Biegung und führt die Halsbasis nach innen.

Reite ich ein Schulterherein auf dem Zirkel linke Hand mit einem rechts holen Pferd, kann ich für ein rechts hohles Pferd den Links-Zirkel größer gestalten, als ich es auf der rechten Hand machen würde.  Linke Hand das Pferd gut biegen, aber nur begrenzt übertreten lassen.

Wozu dient ein Schulterherein

  • beginnende Hankenbeugung besonders mit dem inneren Hinterbein
  • größere Beweglichkeit im Schulterbereich
  • Zu den Seitengängen in Bewegungsrichtung gehört das Renvers (Hinterteil an die Wand gebogen – sozusagen ein Schulterherein in die andere Richtung gebogen, in Bewegungsrichtung [oh, dafür steinigt mich jeder Reitlehrer – aber so kann ich es mir nur merken], Travers (Hinterteil in die Bahn gebogen) und die Traversale.

 

 

Häufige Fehler

Viele sogenannte Fehler wiederholen sich in den verschiedenen Seitengängen. Deswegen hier nur als ein Beispiel

  • fehlende Biegung
  • zu viel Biegung an der Halsbasis
  • Genick verworfen
  • Pferd ist überstellt und weicht über die Schulter aus

Und wo sitze ich?

Eine sehr interessante Frage bei den Seitengängen ist die Frage wo man sitzt (auf dem Pferd natürlich) ;-) Lt. FN würde man bei einem Schulterherein rechter Hand eher rechts sitzen und alleine der Schenkel müsste dem Pferd die Änderung der Bewegungsrichtung klar machen. Leichter kann man es dem Pferd machen, wenn man immer konsequent in Bewegungsrichtung sitzt. Dies ist insofern für mich einleuchtend, da ich mir nur vorstellen muss, ich hätte jemanden Huckepack. Wenn derjenige sein Gewicht auf mir jetzt nach rechts verlagert, mache ich automatisch einen Schritt nach rechts um das auszugleichen. Insofern erscheint mir der Ansatz sehr verständlich auch in den Seitengängen immer in Bewegungsrichtung zu sitzen.

Übungsabläufe

Wenn ein Pferd die Hilfen für Seitengänge verstanden hat, dann kann man Übungsabläufe reiten, um die Beweglichkeit zu schulen und die Hilfen zu verfeinern. Eine sinnvolle Reihenfolge ist z.B. vom Geradeaus auf dem Hufschlag mit Biegung ins Travers (auch Kruppe-Herein genannt) und von da Wechsel ins Schulterherein. Diese Reihenfolge empfiehlt sich, weil es ein Lösen der Schulter von der Bande erfordert.

Natürlich kann man auch ganz tolle Übungsabläufe auf Volten/Zirkeln reiten. Z.B. aus einem Schulterherein auf einem Kreis kommend in einer Art 8 in ein Konterschulterherein wechseln. Zurück in der 8 wieder in ein Travers und zurück in ein Renvers. Nicht, dass ich das reiten könnte, aber zumindest auf dem Papier könnte ich es nachvollziehen ;-)

So, wer jetzt noch keinen Knoten im Kopf hat: Herzlichen Glückwunsch!

Und was hat das jetzt alles mit Bananen zu tun?

Vortrag Petra Köpcke Seitengänge

Was eine Banane mit Seitengängen zu tun hat – Bericht vom Vortrag zum Thema „Seitengänge“

Was hat eine Banane mit einem Seitengang gemein? Die Biegung ;-)

Stellt euch vor die Banane ist euer Pferd (genau „ist“ und nicht „isst“!). Jetzt versucht ihr auf einem Tisch oder einer etwas kleineren Fläche, die eure Reitfläche ist, mit der Banane die Seitengänge an der Bande und auch Zirkeln und freien Linien „nachzureiten“. Vom Schultervor zum Schulterherein über einen Zirkel ins Travers usw. Es hilft der Visualisierung und der Umsetzung. Allerdings ersetzt es natürlich nicht das Üben auf dem Pferd.

 

Als ich nach dem Vortrag wieder meine erste Reitstunde hatte, kam nach der Theorie für mich dann wieder die Ernüchterung und gleichzeitig die Bestätigung, dass man doch erstmal an den oben genannten Voraussetzungen arbeiten muss (ich habe ja erst jenseits der 40 mit dem Reiten begonnen). Theoretisch habe ich zwar verstanden in welche Richtung ich meine Hüfte und meine Schulter drehen muss und, dass ich bitte trotz der Drehung noch mit dem Kopf in Bewegungsrichtung gucke und bitte auch auf der Seite mehr sitze, aber mein Körper hat im Vortrag wohl nicht richtig aufgepasst und ständig was falsch gemacht – bis meine Reitlehrerin und ich darüber so lachen mussten, dass mein Pferd erstmal eine Pause bekam….. Ich werde also weiter üben, üben, üben und mich über das komische Verhalten meines Körpers wundern.

 

Und ihr, geht es euch auch so, dass ihr bei den Seitengängen regelmäßig einen Knoten im Kopf kriegt, oder habt ihr die Phase hinter euch?

 


Vielleicht interessieren euch auch die Berichte der anderen Vorträge in der Tierarztpraxis Dr. Nölker:

Warum ein zu eng gerittenes Pferd nie in korrekter Stellung gehen kann

 

Wie Pferd und Reiter das Gleichgewicht finden

 

Den Pferden ins Maul geschaut – Vortrag Zahngesundheit + Gebisse


Veranstaltungen zum Thema Seitengänge:


Über Kathrin

Weil ich erst spät zum Reiten gekommen bin, habe ich viele Seminare und Schulungen zum Thema Pferd besucht. Leider habe ich viele interessante Veranstaltungen erst gar nicht oder zu spät entdeckt oder sie waren zu weit entfernt. Häufig ist der Ort bei den Veranstaltungsübersichten im Internet gar nicht auf den ersten Blick ersichtlich. So entstand der Wunsch nach einer umfassenden, übersichtlichen Darstellung von Veranstaltungen rund um die Ausbildung des Pferdes und Reiters. Mit meinem Hintergrund aus IT und e-commerce war es naheliegend etwas Passendes aufzubauen. Ich hoffe, ich bringe damit zufriedene Teilnehmer zu den passenden Veranstaltungen.